Home News Kommt bald das Ende anonymer Zahlungen im Netz?

Kommt bald das Ende anonymer Zahlungen im Netz?

von Kay Birkner

© tiero – fotolia.com

Wie einer Stellungnahme des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) zu entnehmen ist [1], plant die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur ‚Optimierung der Geldwäscheprävention‘ [2].

Was sich zunächst harmlos anhört, hat unter Umständen gravierende Folgen für den Verbraucher. Da jede Form der elektronischen Bezahlung (E-Geld) laut dem Gesetzentwurf die Vertragspartner identifizieren muss, wäre dies das Aus für anonymes Bezahlen im Internet – auch wenn es sich lediglich um Cent-Beträge handelt.

Betroffen wären hiervon unter anderem alle Formen von Prepaid-Kreditkarten aber auch Gutscheine, Coupons und andere geldwerte Formen zur Bezahlung im Netz. Selbst die beliebte Paysafe-Card [3], welche mit EU-Geldern entwickelt, und nach wie vor von der EU gefördert wird, kann dann nur nach Identifizierung an der Verkaufsstelle aufgeladen oder gekauft werden.

Steigende Zahl von Verdachtsfällen

Gemäß dem Jahresbericht der ‚Financial Intelligence Unit‘ (FIU) des Bundeskriminalamts (BKA) für 2010, ist die Anzahl der Verdachtsanzeigen gegenüber dem Vorjahr von 9.046 auf 11.042 gestiegen [4]. Sowohl Jörg Ziercke, Sprecher des BKA, als auch Michael Sell, Mitglied der BaFin-Geschäftsführung (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) nahmen in der vergangenen Woche diese steigenden Zahlen zum Anlass, das Verbot anonymer Zahlungsformen (E-Geld) zu fordern.

Die üblichen Verdächtigen

Liest man den Jahresbericht der FIU im Detail, so springt sofort ins Auge, dass die Mehrheit der Verdachtsfälle dort erkannt werden wo naturgemäß mit größeren Geldbeträgen gehandelt wird: namentlich Banken und Versicherungen zeigen den Anfangsverdacht an. Auch der ‚Kampf gegen den Terror‘ wird heutzutage gerne als Argument eingesetzt, wenn es um Gesetzesänderungen geht – und taucht in dem Papier auch überproportional häufig auf – doch die absoluten Zahlen zeigen, dass nur etwa ein Prozent der Verdachtsanzeigen insgesamt einen solchen Hintergrund hat: so ist „… die Zahl der Verdachtsanzeigen nach dem GWG mit Verdachtsgrund Terrorismusfinanzierung von 98 auf 124 gestiegen.“[4] Dabei sei angemerkt, dass es sich nach wie vor lediglich um Verdachtsfälle und nicht um begangene Straftaten handelt.

Mit einem Anteil von etwa einem Drittel bilden jedoch die Financial Agents einen grossen Teil der insgesamt festgestellten Verdachtsfälle. Finanzagenten werden meist im Zusammenhang mit Phishing oder ähnlichem Betrug im Internet als Geldwäscher zwischengeschaltet. Sie leiten per klassischer Überweisung das illegal erworbene Geld an andere Stellen weiter. Auch wenn beim Phishing das Internet als Tatort und -Werkzeug eine Rolle spielt, so sind es auch hier wieder die Banken, denen die Folgeaktivitäten des eigentlichen Delikts auffallen und zur Anzeige bringen.

Die absoluten Fallzahlen bei denen das Delikt mittels ‚elektronischer Zahlungssysteme‘ begangen wurde, nehmen sich nicht bedrohlich aus: Lediglich 94 Fälle wurden 2010 verzeichnet. Verdachtsfälle – wohlgemerkt.

Aufschrei der Datenschützer

Das drohende Verbot etablierter, anonymer Zahlungsmethoden im Internet, ruft nun die Datenschützer auf den Plan. Das eingangs erwähnte ULD beklagt insbesondere, dass es beim Vertrieb oder Rücktausch von E-Geld zu den Sorgfaltspfllichten des Emittenten gehört, die Identität des Vertragspartners zu prüfen. So sei diese „kontinuierliche Überwachung der Geschäftsbeziehung zwangsläufig mit Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 GG […] verbunden[…] und mahnt das Gebot der Verhältnismäßigkeit an.
Auch den Einwand, dass es Einzelpersonen möglich sei, mehrere solcher Karten zu besitzen und somit den meldepflichtigen Schwellenwert zu umgehen, lässt Thilo Weichert vom ULD nicht gelten, da einzelne Geschäfte im Niedrigpreisbereich nicht dazu geeignet seien größere Summen illegal erworbenen Geldes zu waschen.

Auch der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung protestiert in einem Brief[5] an die Bundesregierung gegen das Vorhaben und warnt vor schwer wiegenden Konsequenzen, falls das „Bargeld des Internet“ abgeschafft würde. Man würde dem Verbraucher „das beste Mittel zum Selbstschutz vor Online-Kriminalität aus der Hand schlagen“.

Damit ist gemeint, dass bislang der Bürger in der Lage war, bei Geschäftsbeziehungen seine Daten nur dort anzugeben, wo er es als angemessen erachtete. In allen anderen Fällen stand ihm mit dem E-Geld ein Mittel zur Verfügung, ein Rechtsgeschäft zu tätigen, ohne seine Identität samt Bankverbindung offenbaren zu müssen. Die steigende Anzahl an Einbrüchen in Kundendatenbanken bei großen und kleinen Online-Händlern verdeutlicht die Notwendigkeit einer anonymen Nutzung von Diensten im Internet, wie sie auch im Telemediengesetz vorgeschrieben ist.

Quellen:
[1] https://www.datenschutzzentrum.de/internet/20110629-geldwaeschepraevention.html

[2] http://www.bundesrat.de/nn_8694/SharedDocs/Drucksachen/2011/0301-400/317-11,templateId%3Draw,property%3DpublicationFile.pdf/317-11.pdf

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Paysafe

[4]http://www.bka.de/nn_233148/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/FIU/Jahresberichte/

fiuJahresbericht2010,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/fiuJahresbericht2010.pdf

[5] http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/496/79/lang,de/

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